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Goar Interview - Germany

Graeme Jefferies' The Cakekitchen


Im Zusammenhang mit Graeme Jefferies liesse sich über mehr als nur The Cakekitchen schreiben. Zusammen mit seinem Bruder Peter war er This Kind Of Punishment, eine zu ihrer Zeit verkannte Gruppe, der erst langsam die verdiente Anerkennung zukommt (was nicht zuletzt Chicagos rührigem Ajax Label zu verdanken ist, das dabei ist, alle TKOP Alben wieder zu veröffentlichen). Hier will ich mich aber auf Graeme Jefferies Arbeit nach deren Auflösung konzentrieren, auf sein Projekt The Cakekitchen. Inzwischen gibt es die dritte Inkarnation dieser Gruppe und hätte Graeme zum Zeitpunkt des Erscheinens seiner Soloplatte "Messages From The Cakekitchen" (1988) gewusst, dass er unter dem Namen Cakekitchen weiterarbeiten würde, so wäre auch sie unter diesem Namen erschienen. Im Grunde kann diese von ihm im Alleingang eingespielte Platte als der Beginn von
The Cakekitchen angesehen werden.

Bei This Kind Of Punishment hatten sich Graeme und Peter das Schreiben der Songs geteilt. Während Peter den Grossteil der Texte schrieb, war Graeme für die Musik zuständig. Ihre zeitlos grossartige Musik sei hiermit jedem ans Herz gelegt, der keine klinischen 32-Spur Aufnahmen braucht, sondern Musik mit der Priese Galle und Melancholie, die durch schlechte Tage hilft. Aber das ist, wie gesagt, eine andere Geschichte. Nach mehreren Jahren der Zusammenarbeit fühlten sich beide schliesslich, als Musiker und Songschreiber, vom anderen eingeengt. This Kind Of Punishment lösten sich, nach einem ersten Bruch 1985, nach den Aufnahmen zur "In The Same Room" LP 1987 endgültig auf. Graeme hatte schon 1985 nach der ersten Auflösung begonnen, neue Stücke für sich einzuspielen. 1987 hatte er schliesslich genug Material zusammen, um etwas veröffentlichen zu können. Zu seinem Erstaunen wollte Flying Nun die Platte herausbringen. Die Platte hat, wen wundert es, noch manche Anklänge an This Kind Of Punishment. Auch seine spätere Arbeit wird hin und wieder an sie erinnern, aber das liegt an dem gewissen Jefferies Sound (diese Stimmen!), den beide Brüder haben, und der ihre gesammte Arbeit prägt. Im Vergleich zu "In The Same Room" wirkt "Messages For The Cakekitchen" weniger schwarz und bedrückend, und das obwohl beide Platten mehr oder weniger zur selben Zeit entstanden. Die Songs sind bei aller noch vorhandenen Melancholie (ein Zug, der die Musik der Brüder wohl nie verlässt) freier und spielerischer, es braucht seine Zeit, bis sie ihre volle Wirkung entfalten, aber dann ist eine gewisse Wärme zu spüren, die es bei This Kind Of Punishment nicht gab. Bis auf zwei Stücke, die unter Mitwirkung anderer Musiker entstanden, sind alle anderen von Graeme im Alleingang aufgenommen. Der Platte erging es leider ähnlich wie den TKOP Alben, Flying Nun zeigte kein grosses Interesse daran, sie zu promoten, und so blieb sie mehr oder weniger übersehen, bis wiederum Ajax sie letztes Jahr neu herausbrachte. 1988 begann Graeme, unter dem Namen The Cakekitchen zu arbeiten. Nach dem Erscheinen von "Messages ..." brauchte er einen Schlagzeuger, um einige Auftritte zu bestreiten. So fragte er Robert Key, den er von seiner Arbeit mit den Sombretones kannte, ob er nicht mit ihm auftreten wolle. Rachael King stiess erst einige Zeit später als Bassistin zu ihnen.
Graeme: "Das, was ich heute mit Jean-Yves Douet (Schlagzeuger und einziger Mitmusiker der aktuellen Besetzung) spiele, ist dem sehr ähnlich, was ich zuerst mit Robert machte. Ich mag es, nur zu zweit zu arbeiten. Ich erinnere mich, dass ich dachte die Musik hätte etwas verloren, als Rachael dazukam. Obwohl wir natürlich zu dritt Sachen machen konnten, die zu zweit nicht möglich waren, gibt es einfach Stücke, die mit nur zwei Musikern besser klingen." Trotz dieser Bedenken sollten in dieser Besetzung wunderbare Platten entstehen, später würde Graeme auch wieder zu seinem Zweierprojekt finden. Zuerst erschien 1989 auf Flying Nun die 12"EP Cakekitchen, die wohl zugänglichste Platte, die Graeme je gemacht hat. Mit "Wittness To Your Secrets" und "Silence Of The Sirens" sind darauf zwei der schönsten Liebeslieder, die ich kenne. Die ganze 12" kommt dem nahe, was manche vielleicht als den Flying Nun Sound bezeichnen würden: seltsam besondere Gitarrenmusik. Graeme: "Witness und Secrets sind Liebeslieder. Ich war verliebt zu der Zeit. Ich habe immer über meine eigenen Erfahrungen geschrieben, und das waren meine zu der Zeit. Die Platte sollte auch eine nettere Seite zeigen, als die Solo LP, die in einer Zeit entstand, als ziemlich viel zusammenbrach. Aber mit dem Aufnehmen von "Messages ..." hatte ich mir einiges von der Seele gespielt, so wurde die Arbeit mit The Cakekitchen etwas positiver. Die zusätzlichen Stücke auf "Time Flowing Backwards" zeigen aber ein klareres Bild unserer Musik." The Cakekitchen sassen trotz der Nähe der 12" zum Flying Nun Sound in der neuseeländischen Musikszene gewissermassen zwischen allen Stühlen. Das Material, das zusammen mit den Stücken der EP auf Homestead als "Time Flowing Backwards" erschien, zeigt auch die eigenwilligeren Seiten von Graeme, die die Musik so gut machen, aber auch schwieriger zu verkaufen. Flying Nun war wiederum nicht bereit, die Band richtig zu unterstützen. Graeme: "The Cakekitchen schienen genau zwischen der Flying Nun high-tech und der Xpressway low-tech zu stehen. Xpressway fand, die 12" sei überproduziert, Flying Nun beschwerte sich, dass wir nicht mehr auf 16-Spur aufnehmen würden. Für mich ist der Song wichtig, und nicht, wie er aufgenommen wird. Jedenfalls standen wir irgendwie zwischen den Szenen, und das war eine weitere Sache, die mich dazu brachte es woanders zu versuchen." Trotz fehlender Unterstützung nahmen The Cakekitchen 1989/1990 die wunderbare "World Of Sand" auf, die aber erst 1992 auf Homestead erscheinen sollte (inzwischen ist sie grossartiger Weise auf dem Landsberger Raffmond Label auch auf Vynil erschienen, die Leute wissen was gut ist). Sie ist die bis dahin geschlossenste Platte Graemes. Von Gitarren getriebene Melodien rollen dahin, entspannt wie This Kind Of Punishment es nie waren. Es ist Musik, die erst ein guter Soundtrack für das Leben ist, später ein Freund, eine Platte zu der ich gerne zurückkehre. Musik mit der du im Sommer zusammenwächst, die dann im Winter beim Leben hilft. Neben Gitarre spielt Graeme Piano und Violine, die viel zu der Atmosphäre der Stücke beitragen. Wie sein Bruder Peter hat er sich diese Instrumente selbst beigebracht. Graeme: "Ich begann 1982 mit dem Violine spielen, nachdem Brett Jones (der Bassist von Nocturnal Projections, der ersten Band von Graeme and Peter) sagte, ich sollte aufhören, zu sagen, ich wünschte ich könnte Violine spielen. Ich sollte es einfach tun. Ich kannte einen alten Geigenbauer in Auckland und er baute mir aus Reststücken eine für 75$. Zuerst konnte ich keine richtigen Töne damit hervorbringen, es dauerte etwas, bis ich raus hatte, wie es funktioniert. Der Hund unseres Nachbarn bellte immer ganz wild, wenn ich übte, wahrscheinlich dachte er, es sei eine Katze. Ich bin aber kein besonders guter Spieler, es hat Stunden gedauert, die Sachen für "Far From The Sun" einzuspielen. Ich bin halt Gitarrist." Durch dieses Selbststudium hat Graeme (das gleiche gilt auch für Peter) ganz charakteristische Stile auf den Instrumenten, die er spielt, entwickelt. Das trägt besonders zu dem sehr eigenen Sound seiner Musik bei. Wichtig für die Stimmung der Cakekitchen Stücke sind die teilweise abstrakten und fragmentarischen Texte, die mit der Musik zusammen aber eine Einheit bilden. Graeme: "Die Texte entstehen mit der Musik zusammen. Erst habe ich nur ein paar Akkorde oder ein Riff, dann ein paar Zeilen. Dann wieder etwas Musik und mehr Text, eine Menge Kaffee und viele Stunden probieren. Die Texte sind oft sehr abstrakt, sie sollen beim Hörer Bilder im Kopf entstehen lassen, und Gefühle. Die Texte sind kleine Geschichten, über das, was ich erlebe. Natürlich lassen sie sich schwer so interpretieren, wie ich sie sehe. Aber wir alle haben ja ähnliche Erfahrungen, so hoffe ich, die Texte lösen bei den Leuten ähnliche Bilder im Kopf aus, ohne dass sie lange darüber nachdenken müssen." Zurück zu "World Of Sand". Kurz nachdem die Aufnahmen der Platte beendet waren, verliess Rachael King The Cakekitchen. Graeme entschloss sich, nach England zu gehen, Robert wollte Neuseeland nicht verlassen, und so löste sich die Band erst einmal auf. Graeme ging nach London, da England das einzige Land war, in dem er ausserhalb Neuseelands legal Geld verdienen konnte. Ein Label auf dem die Platte erscheinen konnte, hatte die Band nicht. Graeme: "Wir wollten die Platte nicht mit Flying Nun machen. Bei ihnen waren wir immer ganz hinten auf der Liste, wir bekamen nie Geld und auch keine Unterstützung angeboten. Also war klar, es bei anderen Labels zu versuchen. Wir hatten dann Glück, ein Angebot von Homestead zu bekommen. Die meisten Labels antworteten gar nicht, aber sie wollten gerne die Platte veröffentlichen. Als das passierte war ich in London gerade ohne Band, ohne Wohnung und ohne Geld, es war eine riskante Phase. So war ich sehr froh, als der Deal mit Homestead klappte." Als erst "Time Flowing Backwards" und ein Jahr später "World Of Sand" auf Homestead erschienen, hatte Graeme in London eine neue Band mit zwei Musikern aus der anscheinend gar nicht so kleinen Kolonie von Neuseeländern dort. Beide lernte er durch alte Bekannte aus Neuseeland kennen. Den Bassisten Keith McLean traf er durch Martin Kean (früher bei den Chills), in den er eines Tages am Picadilly Circus rannte, und die Bekanntschaft mit dem Schlagzeuger Huw Dainow machte er durch James Murray, der früher bei den Exploding Budgies war. Es ist eine kleine Welt. Graeme: "Aus einer heutigen Perspektive betrachtet, muss ich verrückt gewesen sein, in London zu leben. Ich wollte eine neue Band haben und London schien der beste Platz dafür zu sein, aber es war schrecklich dort. Ich würde es nie wieder machen." Das spiegelte sich auch auf der dort aufgenommenen Platte "Far From The Sun" wieder. Sie ist härter und rauher, als die beiden Vorgänger, nähert sich wieder etwas dem an, was Graeme mit This Kind Of Punishment machte. Es ist kein Schritt zurück, eher eine Spiralbewegung, alte Themen werden wieder aufgegriffen, aber auf einer neuen Ebene. Ausgedehnte Gitarrenwellen lassen die Stücke im Tempo der Melancholie dahinrollen. "Overexcited" ist vielleicht der Versuch, den Lärm der Grossstadt London einzufangen, ein Presslufthammer und eine sägende Gitarre erzeugen Geräusche, die an eine Grossbaustelle erinnern. Aber es gibt auch die für The Cakekitchen typischen, ruhigeren, von Violine und Graemes Stimme bestimmten Stücke. Graeme: "Ja, "Far From The Sun" ist nicht so entspannt wie "World Of Sand", das liegt daran, dass das Leben in London härter war, als in Neuseeland. Die Stücke sind kleine persönliche Notizen über das Jahr, in dem sie geschrieben wurden. In London zu leben, hat zwar nicht meine Herangehensweise an die Musik verändert, aber meine Texte waren nun über meine Erfahrungen, die ich in Neuseeland so noch nicht gemacht hatte. Aber an meiner Art Musik zu machen, änderte das nichts. Ich sehe Nocturnal Projections, This Kind Of Punishment und The Cakekitchen als Erweiterungen von einander. Ein weiter Kreis, der sich ständig dreht, so wird es wohl immer sein. Es scheint, ich kehre immer wieder zu Dingen zurück, an denen ich schon gearbeitet habe. So bekomme ich neue Sichtweisen zu alten Themen. Ich habe noch nie über das Verhältnis der verschiedenen Platten zueinander nachgedacht, aber es scheint, es gibt da einen Faden, der sich durch sie alle hindurchzieht und sie zusammenbindet." Als die Platte 1993 auf Homestead erscheint, gibt es die Band schon nicht mehr. Keith McLean hatte sie im Herbst 1992 nach einer Frankreich Tour verlassen, um zu heiraten. Da Graeme genug von England hatte und für einige Zeit nach Frankreich ging, löste The Cakekitchen sich wiedereinmal auf. In Frankreich entstand dann die vierte und aktuelle Version von The Cakekitchen. Graeme: "Mit Jean-Yves wurde ich durch einen gemeinsamen Freund bekanntgemacht, der dachte, dass wir einen ähnlichen Geschmack und ähnliche Ideen haben. Es klappte dann gut und wir mochten es, nur zu zweit zu spielen. Es ist das erste Mal, dass ich mit einem Nicht-Neuseeländer zusammengearbeitet habe, Jean-Yves kommt aus der Bretagne. Wir begannen im Sommer, in einem Theater in einer Burg aus dem 13. Jahrhundert zu üben. In Frankreich zu leben, hat wieder einen Einfluss auf meine Texte gehabt. Es ist das erste Land in dem ich gelebt habe, in dem Englisch nicht die Landessprache ist. Das hat natürlich mein Vokabular verändert und meine Texte auf interessante Weise beeinflusst." In dieser Besetzung gingen The Cakekitchen im Winter letzten Jahres auf Tour. Zu hören war ein gut eingespieltes Duo, das auch ohne zusätzliche Musiker die Intensität der "Far From The Sun" Stücke entstehen lassen konnte. Zusätzlich gab es Stücke der älteren Platten und auch ein paar This Kind Of Punishment Songs. Jean-Yves am Schlagzeug sorgte für den nötigen Zusammenhalt, während Graeme die Lieder mit ausgiebigen Gitarrenwellen vorantrieb, ein rauhes und beeindruckendes Konzert. Nach der Tour ging Graeme erst einmal wieder nach Neuseeland zurück, um die Platte fertigzustellen, die er in Frankreich mit Jean-Yves begonnen hatte. Von dort aus antwortete er auch mit einem ausführlichen Brief auf meine Fragen. Im Sommer wird er wieder nach Frankreich zurückkehren, und dann im Herbst das neue Album auf einer weiteren Tour vorstellen. Graeme spielt mit dem Gedanken vor der Platte noch ein oder zwei Singles herauszubringen, da sie mehr Stücke haben, als auf das Album passen. Es bleibt zu hoffen, dass die wunderbare Musik dieses Mannes diesmal mehr Hörer finden wird, als zu seiner Zeit mit This Kind Of Punishment. Da diese allmählich, wenn auch mit bald zehnjähriger Verspätung, einen gewissen Status erreicht haben, und Graeme zur Zeit mit Raffmond ein Label hat, das ihn auch unterstützt, ist es vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich. Und es lohnt sich. Eigenwillige Musik, melancholisch und rauh, wichtig in diesen Zeiten.
Herwig Timm

 
 
 
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